Wenn es Nacht wird: Psychothriller (German Edition)
fehlen«, sagte ich.
Dylan lachte, und das tat mir weh. Vielleicht war ich auch nur müde, vielleicht waren es die letzten traumatischen Wochen, denn mir liefen die Tränen herunter, bevor ich etwas dagegen unternehmen konnte. Verärgert wischte ich sie mit dem Ärmel weg.
»Das ist nicht lustig«, sagte ich leise.
»Ich werde dir nicht fehlen, Genevieve. Ich kann von Glück sagen, wenn du nach ein paar Stunden noch weißt, wo du mein Handy hingelegt hast.«
»Das ist unfair. Du machst dich immer über mich lustig, Dylan.«
Er seufzte, als wäre ich ein lästiges Frauenzimmer, nahm die Tüte, stellte sie zu seinen Füßen auf den Boden und rutschte auf dem Sofa zur Seite, um mir Platz zu machen. »Komm, setz dich zu mir«, sagte er sanft, fast liebevoll.
Als ich aufstand und mich neben ihn sinken ließ, legte er seinen Arm um mich und tätschelte mir unbeholfen die Schulter. Ich rückte näher und spürte seinen massigen Körper, der mich sofort tröstete. Ich musste daran denken, als er mich nach dem Zwischenfall mit Arnold umarmt hatte. Egal, was falsch gelaufen war, nun war alles wieder im Lot.
Wir blieben noch lange so sitzen, ich lehnte mich an ihn und entspannte mich. Seine großen Hände, mit denen er mich wie ein unerfahrener Vater beim Wickeln seines Babys auf der Schulter getätschelt hatte, fuhren nun langsam über meinen Oberarm. Dann glitt er mit den Fingerspitzen von meiner Schulter zum Ellenbogen und wieder zurück.
Schließlich sagte er. »Wir sollten jetzt lieber gehen.«
Ich löste mich von ihm und erhob mich vom Sofa, er nahm die Tüte und ging mit mir durch den Haupteingang quer über den Parkplatz zu meinem Transporter. Ich sperrte auf und öffnete ihm die Tür, damit er die Tüte auf den Beifahrersitz legen konnte, doch er rührte sich nicht von der Stelle. Ich drehte mich um, sah ihn an und wollte ihn schon fragen, worauf er noch warte, verstummte aber, als ich merkte, wie er mich ansah. Er stellte die Tüte vorsichtig zu seinen Füßen ab und schlug, ohne den Blick von mir zu nehmen, die Tür sanft wieder zu. Dann trat er zu mir, küsste mich ohne Vorwarnung, zog mich mit einer Hand an sich, hielt mit der anderen meinen Kopf und legte den Daumen an mein Kinn.
Mir war, als hätte ich, ohne es zu wissen, schon ewig darauf gewartet, und jetzt war der Moment endlich gekommen. Meine Beine wurden weich, er drückte mich sanft gegen den Transporter und stützte mich.
Als er sich endlich von mir löste, konnte ich sein Gesicht in der Dunkelheit nicht erkennen, dafür hörte ich seine Stimme und das Gefühl darin. Er sagte nur, »Willst du bleiben?«
Ich nickte, war mir aber nicht sicher, was er damit meinte. Doch wenn die Alternative darin bestand, ohne ihn allein auf mein Boot oder sonst wohin zu gehen, wollte ich lieber bleiben.
Wir kehrten zum Hotel zurück, und ich wartete am Lift, während Dylan zur Rezeption ging und nachsehen ließ, ob noch ein Zimmer frei war. Ich wusste nur, dass ich duschen musste. Ich hatte den ganzen Tag Kisten und Möbel geschleppt und fühlte mich schmutzig. Müde war ich nicht mehr – der Kuss hatte mich geweckt, ich atmete schwer und spürte so ein Prickeln.
Wir gingen nach oben und einen endlosen Flur entlang. Ich folgte Dylan, der immer noch die blöde Tüte bei sich hatte, die ständig schwerer zu werden schien und vermutlich voller Koks war.
Er lief schnell, ich hatte Mühe, mit ihm Schritt zu halten. Dann blieb er plötzlich stehen, sodass ich beinahe in ihn hineingelaufen wäre. Er öffnete die Zimmertür, und wir gingen hinein: Er ließ die Tüte auf den Boden fallen, stieß sie mit dem Fuß in den offenen Schrank, schloss die Zimmertür und schob den Riegel vor.
Ich wollte mich ausziehen, mein Oberteil hing bereits an einem Arm. Ich versuchte meine Schuhe abzustreifen, ohne die Schnürsenkel aufzumachen, meine Jeans rutschten über meine Knie. Wer mich so gesehen hätte, wäre nie auf den Gedanken gekommen, dass ich mich elegant entkleiden konnte.
»Ich muss duschen, tut mir leid«, murmelte ich leise, doch da spürte ich schon seinen Mund auf meiner Haut, seine Zunge auf meinem nackten Bauch.
»Wen interessiert denn das.«
Mehr sagte er nicht.
Ich war atemlos vor Erregung, so sehr begehrte ich ihn. Er hatte einen kräftigen Körper, unter den Maßanzügen ver bargen sich Tätowierungen, die seinen linken Arm und beide Schultern bedeckten. Es waren ein schwarzer Drache, der sich hinten an seinem Hals vorbeischlängelte, ein keltisches
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