ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht
erst nach der dritten Reise zu Gesicht, so lange hat Johnny ihn hingehalten. Er sagte, er habe nicht genug Bargeld dabei, und wenn Mamadu weiterhin so gut arbeite, werde das bisher verdiente Geld kaum mehr der Rede wert sein. Dafür bot Johnny ihm ab und zu eine Line an, nur einmal kurz koksen. Er meinte, man müsse das Produkt, das man vertreibe, auch kennen. Ein bisschen von dem weißen Pulver gibt einem den Elan, es mit dem Zoll und den ausgekochten Blicken der europäischen Frauen aufzunehmen. Nicht, dass Mamadu das Koks brauchte, er hat seine Mimikry inzwischen verfeinert. Bis Casablanca ist er Afrikaner, für den Rest der Reise ist er Tourist. Der Tourist hat keine Nationalität, Tourist, das ist eine ganz bestimmte Verhaltensweise. Die Hautfarbe zählt nicht mehr, ebenso wenig die geröteten Augen und die abgetragene Kleidung. Die Angst, die auf der ersten Reise noch
vorhanden war, ist der Routine gewichen. Auch die Nachrichten über verschärfte Kontrollen und die exponentiell wachsende Zahl der Beschlagnahmungen können ihm nichts anhaben. Dabei lassen die europäischen Länder seit Jahren die Muskeln spielen, um den stetigen Kokainzufluss einzuschränken. Die Regierungen haben beschlossen, den illegalen Handel im Kern zu treffen. Die Liste der Festnahmen und Beschlagnahmen wird jeden Tag länger. Doch für Mamadu sind das nur Zahlen und Fakten, die nichts mit ihm zu tun haben, so wenig wie die neue Methode, die einige Mulis ausgeheckt haben: die Kleidung mit flüssigem Kokain zu imprägnieren. Die Kapseln wirft er inzwischen ein, als wären es Kekse. Außerdem kann er gerade jetzt nicht aufhören. Johnny hat ihm gesagt, auf dem nächsten Flug sei eine Stewardess mit an Bord, die zur Organisation gehört und den Mulis ihre Aufgabe erleichtert.
»Die ist nett«, meinte Johnny, »und offenbar hat sie sich gerade von ihrem Freund getrennt. Du könntest mit ihr ausgehen.«
»Ich habe nachgerechnet«, sagt Mamadu. »Bei der dreiunddreißigsten Übergabe müsste ich genug auf die Seite gelegt haben, um sie in Lissabon in ein elegantes Restaurant zum Essen einladen zu können.«
Kokain # 7
Kunstmalereien aus den Anden
21. Januar 2005, Flughafen Fiumicino, Rom. Guatemaltekischer Staatsbürger festgenommen. In seinen Koffern wurden fünf Bilder mit präkolumbianischen Motiven gefunden. Jedes enthielt einen Umschlag mit einem Kilo zweiundneunzig Prozent reines Kokain im Wert von einer Million Euro.
Kalbshäute, ganz oder teilweise gegerbt
14. September 2005, Hafen von Livorno. Das Schiff Cala Palma, vom venezolanischen Hafen La Guaira kommend, wird beschlagnahmt. Unter den getrockneten, teilweise gegerbten Kalbshäuten der Ladung befanden sich 691 Kilo achtundneunzig Prozent reines kolumbianisches Kokain.
Marienstatuen
30. März 2006, Brooklyn, New York. Die DEA verhaftet elf Personen wegen Kokainschmuggels. Die wertvolle Ware - 194 Kilo - hatten sie in Marienstatuen versteckt, die für Kirchen und Friedhöfe bestimmt waren.
Holztüren
24. Februar 2007, Guildford, Surrey, Großbritannien. Paul Sneath, ein junger Engländer aus gutem Hause, wird zu achtzehn Jahren Haft verurteilt, weil er siebzehn Kilo Kokain ins Land geschmuggelt hat. Er hatte handgefertigte, mit Schnitzereien von Papageien verzierte Holztüren gekauft und mit
Sperrholzplatten unterlegen lassen, die mit flüssigem Kokain getränkt waren. Der Stoff hätte drei Millionen Pfund eingebracht.
Christusstatue
30. Mai 2008, Nuevo Laredo an der mexikanisch-texanischen Grenze. Mexikanerin bei Zollkontrolle festgenommen. In der Christusstatue, die sie im Gepäck versteckt hat, finden die Beamten drei Kilo Kokain.
Ananasimitate
22. August 2008, Neapel. Unter Leitung der Antimafiastaatsanwaltschaft Neapel beschlagnahmt die Carabinieri-Sonderein-heit ROS in einem Haus in Poggiomarino 100 Kilo reinstes Kokain, das in Ananasimitaten aus Wachs versteckt ist. Wert: 40 Millionen Euro.
Tintenfische
Januar 2009, Hafen von Neapel. Bei einer Routinekontrolle findet die Finanzpolizei unter 1600 Dosen Tintenfisch auf einem aus Peru kommenden Schiff 15 Kilo Kokain.
Kinderbücher
9. April 2009, Flughafen Cristoforo Colombo, Genua. Eine einundzwanzigjährige Italienerin wird verhaftet, nachdem sie ein Paket aus Südamerika mit Kinderbüchern abgeholt hat. Es enthielt 300 Gramm Kokain.
Florettseidenbäume
30. April 2009, Hafen von Vado Ligure bei Savona. Die Finanzpolizei Neapel fängt eine Ladung Tropenbäume der Gattung Florettseidenbaum ab, der in
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