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Der kalte Schlaf

Der kalte Schlaf

Titel: Der kalte Schlaf
Autoren: Sophie Hannah
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nur damit es groß wird und irgendwas Langweiliges macht, das schon zu viele Leute machen.«
    Ich lasse meine Schlüssel fallen, bücke mich, um sie aufzuheben, und sage: »Die Leute tun ganz unterschiedliche Dinge in Büros – manchmal sehr interessante Sachen.« Mir fällt auf, dass ich nicht von Dinah verlange, mir sofort zu sagen, was los ist. Die Idee, lieber zu warten, bis Luke kommt, der den Schlag mildern wird, weil er es zum Schreien komisch findet, gefällt mir ebenfalls.
    »Ich will Steinmetz werden wie Luke«, verkündet Dinah. »Ich könnte sein Geschäft übernehmen, wenn er zu alt dafür wird. Er ist ja schon ziemlich alt.«
    Können Mädchen Steinmetz werden? Luke wuchtet ständig mit riesigen Quadern aus York- und Bath-Stein herum. Die könnte keine Frau anheben, da bin ich mir ziemlich sicher. »Letzte Woche wolltest du noch Baroness werden«, erinnere ich Dinah, während ich die Tür aufschließe. »Ich finde, das passt besser zu dir, muss ich schon sagen.«
    Nonie bleibt zögernd stehen. »Wie viel Geld haben wir?«, fragt sie. BOM, die auf dem Bürgersteig vor unserem Haus eine Inventur von Schaffell-Bettvorlegers Besitztümern vornimmt, ändert ihre Haltung, in der Hoffnung, meine Antwort mitzubekommen.
    »Was für eine merkwürdige Frage, Nones. Warum willst du das wissen?«
    »Enver aus meiner Klasse – seine Eltern haben so viel Geld, dass er später nie wird arbeiten müssen. So viel Geld haben wir nicht, oder?«
    Ich versuche, sie hineinzuschieben, aber sie bleibt entschlossen vor der Haustür stehen. »Du brauchst dir keine Gedanken wegen Geld zu machen oder darüber, einen Job zu finden«, sage ich zu ihr. »Du bist ein Kind. Überlass diese Sorgen den Erwachsenen.« Die Falten auf ihrer Stirn vertiefen sich, und ich merke, dass ich das Falsche gesagt habe. »Nicht, dass Luke und ich uns Sorgen machen müssten. Es geht uns gut, Nones, finanziell und in jeder anderen Hinsicht. Alles ist gut.«
    »Ich würde gern einen Beruf haben, wenn ich älter bin, aber ich weiß nicht, wie ich einen finden soll«, sagt sie. »Oder wie ich ein Haus kaufen soll oder ein Auto. Oder wie ich einen Mann finden soll.«
    »Das brauchst du auch noch nicht zu wissen. Du bist erst sieben Jahre alt.«
    Sie schüttelte traurig den Kopf. »Alle in meiner Klasse wissen schon, wen sie heiraten werden, nur ich nicht.«
    »Dinah – Luftschleuse!«, rufe ich, als ich sehe, dass die Windfangtür weit offen steht, obwohl sie eigentlich geschlossen bleiben soll, solange die Haustür offen ist. »Komm, Nones, können wir reingehen? Es ist eiskalt.« Sie seufzt, tut aber, was ich sage. Sie hatte gehofft, ihr Eheproblem lösen zu können, bevor sie die Schwelle überschritt, und jetzt muss sie das Haus betreten, obwohl das Problem noch ungelöst ist.
    Ich umarme sie und verspreche, ihr einen umwerfenden, gut aussehenden, klugen, freundlichen, reichen, wunderbaren Mann zu suchen, den sie heiraten kann, wenn sie alt genug ist. Sie strahlt, aber nur kurz, dann wirkt sie wieder besorgt. »Dinah braucht aber auch einen«, sagt sie. Nonie ist ein Fairness-Fanatiker. Den Gedanken, der sich mir plötzlich aufdrängt, dass Dinah sehr wahrscheinlich mindestens drei Männer brauchen wird, behalte ich lieber für mich. Stattdessen hänge ich die Jacken auf, ordne die Schuhe in Paaren an und hebe die Post auf, die auf dem Boden liegt. Ein Schreiben ist vom Jugendamt. Ich wünschte, ich könnte es zerreißen und müsste nicht lesen, was darin steht.
    Ich will gerade die Haustür schließen und den Schlüssel umdrehen, als ich eine Stimme sagen höre: »Amber Hewerdine?« Ich hebe den Blick und sehe einen kleinen, drahtigen Mann mit schwarzem Haar, dunkelbraunen, blutunterlaufenen Augen und fahler Haut vor der Tür stehen. Er sieht aus, als würde er zu viel oder zu wenig von irgendetwas tun. Automatisch frage ich mich, ob er wohl gut schläft. »DC Gibbs«, erklärt er, zückt eine Karte und hält sie mir vors Gesicht.
    Das ging aber schnell. Eigentlich sollte es doch eine Weile dauern, bis Fehler einen einholen. Die Phase des Leugnens, in der ich mir einbilden konnte, ich könnte damit davonkommen, hat offenbar ihren Termin der grässlichen Vergeltung überlassen, die eigentlich für ein späteres Zeitfenster vorgesehen war.
    »Stecken Sie das Ding weg«, sage ich und werfe einen Blick über die Schulter. Glücklicherweise scheinen wir allein zu sein; vor wenigen Sekunden wäre Nonie noch hier gewesen. »Hören Sie zu, es ist wichtig
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