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Der weite Himmel: Roman (German Edition)

Der weite Himmel: Roman (German Edition)

Titel: Der weite Himmel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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sinken ließ und zu zittern begann. »Bleib sitzen, Will.«
    Ihr entsetzter Gesichtsausdruck und das hysterische Gekläff seines Hundes ließen Ben vermuten, das es sich um ein weiteres Rind oder vielleicht einen der Ranchhunde handeln mußte. Kochend vor Zorn lief er zu dem verlassenen Jeep hinüber, und was er dort entdeckte, war um ein Vielfaches schlimmer als ein getötetes Rind.
    »Allmächtiger!«
    Den Mann hätte er vielleicht gar nicht erkannt, nicht nach dem, was man ihm angetan hatte, aber er erkannte den Jeep, die Stiefel und den blutverschmierten Hut, der neben dem Leichnam lag. In seinem Innern begann es zu brodeln, und er mußte gegen Übelkeit und Wut zugleich ankämpfen. Langsam nahm ein einziger furchtbarer Gedanke in seinem Kopf Gestalt an, während er Charlie streng zur Ruhe rief.
    Wer dies getan hatte, war nicht nur verrückt, er war abgrundtief böse.
    Hinter sich vernahm er ein Geräusch, und er wirbelte herum und streckte einen Arm aus, um Willa den Weg zu verstellen. »Nicht.« Seine Stimme klang rauh und belegt, doch die Hand auf ihrem Arm flößte ihr Kraft ein. »Du kannst hier nichts mehr tun, und es ist absolut überflüssig, daß du dir das noch einmal ansiehst.«
    »Mir geht es schon wieder besser.« Willa legte ihre Hand über die von Ben und trat näher. »Er gehörte zu meinen Leuten, und ich muß mich mit eigenen Augen davon überzeugen, was ihm zugestoßen ist.« Erschöpft rieb sie sich die Schläfen. »Er ist skalpiert worden, Ben! Um Gottes willen, er ist in Stücke geschnitten und skalpiert worden!«
    »Das reicht.« Unsanft riß er sie zurück und zwang sie, ihn anzusehen. »Jetzt ist es genug, Willa. Geh zurück zu deinem Jeep und ruf über Funk die Polizei!«
    Sie nickte, rührte sich jedoch nicht von der Stelle, bis er erneut die Arme um sie legte und ihren Kopf an seine Brust zog. »Nicht mehr daran denken«, murmelte er. »Es wird alles wieder gut.«
    »Ich habe ihn hier herausgeschickt, Ben.« Verzweifelt hielt sie sich an ihm fest. »Er hat Krach angefangen, da habe ich ihn angewiesen, hier oben nach dem Rechten zu sehen oder seine Sachen zu packen und zu verschwinden. Ich habe ihn in den Tod getrieben.«
    »Schluß mit dem Unsinn.« Alarmiert stellte er fest, daß ihre Stimme sich zu überschlagen drohte, und er preßte beruhigend seine Lippen in ihr Haar. »Du weißt genau, daß dich keine Schuld trifft.«
    »Er war einer von meinen Leuten«, wiederholte sie. Ein Schauer lief ihr über den Rücken, und sie wandte sich hastig ab. »Deck ihn zu, Ben. Bitte. Er sollte zugedeckt werden.«
    »Ich mach’ das schon.« Ben streichelte ihre Wange und wünschte, seine Berührung würde wieder Farbe in ihr Gesicht bringen. »Bleib du im Auto, Will.«
    Ben wartete, bis sie wieder im Jeep saß, dann zog er eine schmierige Plane aus Pickles’ Wagen. Etwas Besseres konnte er nicht auftreiben.

Kapitel 8
    Vom Küchenfenster aus konnte Lily die Wälder und die hohen Berge sehen. Um diese Jahreszeit wurde es früh dunkel. Sie beobachtete, wie die Sonne langsam hinter den Gipfeln versank. Lily hielt sich zwar erst seit knapp zwei Wochen in Montana auf, doch sie wußte bereits, daß die Nacht rasch hereinbrechen und die Luft merklich kühler würde, sobald die Sonne hinter den Hügeln verschwunden war.
    Noch immer fürchtete sie die Dunkelheit. Jeden Tag freute sie sich von neuem auf die Morgendämmerung, auf die ersten Sonnenstrahlen. Es gab so viel für sie zu tun, oft legte sie stundenlang im Haushalt mit Hand an und war zutiefst dankbar dafür, daß sie sich endlich nützlich machen konnte. Zum ersten Mal seit langer Zeit hatte sie wieder das Gefühl, lebendig zu sein. Inzwischen mochte sie die Landschaft Montanas, die unendliche Weite, die majestätischen Berge und den tiefblauen Himmel, nicht mehr missen. Auch die vertrauten Geräusche der Pferde und Rinder sowie die Unterhaltungen der Männer, die sich jeden Morgen wiederholten, übten eine beruhigende Wirkung auf sie aus.
    Lily liebte die Abgeschiedenheit ihres Zimmers und das schöne weitläufige Haus mit den Wänden aus poliertem Holz, in dem sie nun wohnte. Die Bibliothek war gut ausgestattet. Wenn sie Lust hatte, konnte sie die ganze Nacht lesen, ohne daß sich jemand daran störte. Stundenlang hörte sie Musik oder ließ einfach nur den Fernseher laufen. Niemand kümmerte sich darum, wie sie ihre Abende verbrachte. Niemand kritisierte sie wegen geringfügiger Fehler oder erhob die Hand gegen sie. Noch nicht.
    Adam

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