Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr
wirst?«
Ellianias Nicken war mehr ein schmerzhaftes Zucken. »Sie besteht darauf, dass ich ihn an mich binden muss. Noch bevor ich von hier aufbreche, muss ich meine Beine für ihn spreizen, um mir dessen sicher zu sein. Das ist der einzige Weg, an den sie glaubt.« Elliania sprach mit zusammengebissenen Zähnen. »Ich habe sie geschlagen, und sie ist gegangen. Dann hat sich der Schmerz vervielfacht.«
Wut ließ Peottres Gesichtszüge erstarren. »Wo ist sie?«
»Sie ist nicht hier. Sie hat ihren Mantel genommen und ist gegangen. Vielleicht wollte sie deinem Zorn entkommen, aber ich nehme an, sie ist mal wieder in die Stadt gegangen, um ihre Sache dort weiterzuverfolgen.« Elliania rang sich ein Lächeln ab. »Auch gut. Unsere Lage hier ist auch so schon schwer genug, ohne dass du erklären müsstest, warum du meine Zofe im Zorn erschlagen hast.«
Ich glaube, ihre Worte riefen ihn wieder zur Vernunft, auch wenn sie ihn nicht beruhigten.
»Es ist schon gut so, dass dieses Miststück aus meiner Reichweite ist. Aber findest du es nicht ein wenig spät, mich zur Zurückhaltung zu ermahnen? Meine kleine Kriegerin, du hast das Temperament deines Onkels geerbt. Deine Tat war nicht gerade weise, aber ich bringe es einfach nicht über mich, dich dafür zu tadeln. Diese seelenlose Hure. Sie glaubt wirklich, das sei der einzige Weg, einen Mann an eine Frau zu binden.«
Unglaublicherweise stieß die Narcheska ein kurzes Lachen aus. »Es ist der einzige Weg, an den sie glaubt, Onkel. Ich habe nicht gesagt, dass es der einzige ist, den ich kenne. Stolz vermag einen Mann zu binden, auch wenn von Liebe keine Spur zu sehen ist. Das ist der Gedanke, an den ich mich im Augenblick klammere.« Dann legte sie vor Schmerz die Stirn in Falten. »Hol bitte noch mehr Schnee«, keuchte sie, und Peottre ging hinaus.
Kaum war er weg, setzte sich die Narcheska langsam auf. Sie kratzte den schmelzenden Schnee zusammen. Die Tätowierungen auf ihrem Rücken glühten noch wie zuvor. Um sie herum war das nackte Fleisch rot von der Kälte. Behutsam legte sie sieh wieder auf ihr Schneebett. Sie atmete tief ein und legte die Handrücken auf die Stirn. Ich erinnerte mich daran, in einer Schriftrolle gelesen zu haben, dass die Outislander so beteten. Aber die einzigen Worte, die sie sagte, waren: »Meine Mutter. Meine Schwester. Für euch. Meine Mutter. Meine Schwester. Für euch.« Bald wurde das zu einer Art Gesang im Rhythmus ihres Atmens.
Ich lehnte mich auf meiner Bank zurück. Ich zitterte, sowohl aus Ehrfurcht vor ihrem Mut als auch aus Mitleid mit ihrem Leiden. Ich fragte mich, was ich da eigentlich gerade beobachtet hatte und was all das zu bedeuten hatte. Meine Kerze war zur Hälfte hinuntergebrannt. Ich nahm sie und stieg die restlichen Stufen zu Chades Turmzimmer hinauf. Ich war erschöpft und niedergeschlagen und suchte Trost bei etwas Vertrautem, aber als ich die Turmspitze erreichte, war das Zimmer verlassen und das Feuer erloschen. Ein schmutziges Weinglas stand leer auf dem Tisch neben den Stühlen. Ich räumte die Asche aus dem Kamin, fluchte leise, weil Dick mal wieder seine Pflichten vernachlässigt hatte, und machte ein neues Feuer.
Dann griff ich zu Papier und Tinte und schrieb nieder, was ich gerade gesehen hatte. Das verband ich mit dem anderen Vorfall, den ich vorher zwischen Elliania, Peottre und der Dienerin Henja beobachtet hatte. Offensichtlich war Letztere eine Frau, die es im Auge zu behalten galt. Ich streute die frische Tinte ein, tupfte sie ab und legte das Papier auf Chades Stuhl. Ich hoffte, dass er heute Abend noch mal in den Turm kommen würde. Erneut dachte ich verbittert über die Dummheit nach, dass er sich nach wie vor weigerte, mich direkt mit ihm Kontakt aufnehmen zu lassen. Ich wusste, dass das, was ich gesehen hatte, wichtig war. Ich hoffte nur, Chade würde auch wissen warum.
Dann kehrte ich widerwillig in meine Kammer zurück. Dort stand ich eine Weile schweigend und lauschte. Ich hörte nichts. Falls Jek und Fürst Leuenfarb noch da sein sollten, schwiegen sie entweder, oder sie befanden sich in seinem Schlafgemach. Letzteres kam mir nach allem, was ich zu hören bekommen hatte, doch eher unwahrscheinlich vor. Nach einiger Zeit öffnete ich die Tür einen Spalt. Der Raum war abgedunkelt, das Feuer im Kamin gedämpft. Gut. Im Augenblick verspürte ich nicht den Wunsch, einem von beiden zu begegnen. Ich hatte beiden einiges zu sagen, aber ich hatte mich noch nicht weit genug beruhigt, um das auch
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