Die Mauern des Universums - Melko, P: Mauern des Universums - The Walls of the Universe
können, wenn sie denn wollen. Solche Investmentfirmen
greifen am liebsten gar nicht ein, solange es dem Unternehmen gutgeht. Die wollen einfach nur Geld verdienen. Aber zugleich wollen sie die Sicherheit, eingreifen zu können – für den Fall, dass ihr es versaut.«
John nickte. »Deswegen sind ihnen die fünfundfünzig Prozent so wichtig.«
»Exakt.«
»Also …«, sagte John mit einem Seitenblick auf Henry, der mit den Achseln zuckte. »Was machen wir jetzt?«
»Ihr wisst doch, dass ich euch keine echte Rechtsberatung anbieten kann, oder?«, erwiderte Kyle.
»Ja, aber was sollen wir tun?« Henry klang genauso verzweifelt, wie John sich fühlte.
Kyle seufzte. »Ich kann hier jedenfalls nichts Dubioses entdecken. Außerdem …«
»Außerdem?«, fragte John.
»Außerdem geht es um vier Millionen Dollar. Ich meine, vier Millionen! Mann!«
Henry ließ sich in seinem Stuhl zurücksinken. »Das ist uns bewusst.«
John lehnte sich ebenfalls zurück. »Aber wir wissen einfach nicht, wie wir uns entscheiden sollen.«
»Das ist mehr als verständlich.« Kyle schnappte sich einen Zettel und schrieb einen Namen sowie eine Telefonnummer darauf. »Hier. Professor Andropov aus der Abteilung Wirtschaftsrecht. Bei dem hatten wir Vertragsrecht. Fragt ihn, ob er sich das mal anschauen kann.«
»Ist das ein Russe?«, fragte Henry.
Kyles Blick blieb unbewegt. »Wenn du eine ausgewogene Meinung über den Kapitalismus hören willst, frag einen amerikanisierten Russen.«
Andropov trug Brille und Tweedjacke und war nicht gerade groß. An den Wänden seines Büros reihte sich ein dicker
Wälzer an den anderen – mit kyrillischen und englischen Titeln.
»Hier«, sagte Andropov und hielt John den Vertrag hin. Die Blätter waren übersät von Strichen und Anmerkungen in roter Tinte.
Henry blickte über Johns Schulter. »Ist überhaupt noch was übrig vom Original?«
Zwei Stunden zuvor hatte Professor Andropov mit ausdruckslosem Gesicht zugehört, wie John und Henry ihre komplette Geschichte erzählten. John war überzeugt gewesen, dass er sich im Grunde einen feuchten Dreck um ihr Anliegen scherte.
»In vier Monaten haben Sie es also vom Prototypen zu einem Unternehmen gebracht, das tatsächlich Geld einbringt?«, hatte der Professor gefragt, als sie fertig waren.
»Etwas Geld, ja«, bestätigte John.
»Und alles in Münzen«, fügte Henry hinzu.
Andropov nickte langsam. »Und jetzt liegt Ihnen ein Angebot über vier Millionen für die Mehrheitsbeteiligung an Ihrer Firma vor.«
»Genau, aber …«, sagte John.
Henry beendete den Satz für ihn. »Aber wir wissen nicht, wie wir damit umgehen sollen.«
»Wie auch? Sie sind Techniker, keine Unternehmer!« Andropov beugte sich träge vor und nahm den Vertrag an sich. »Aber warum sollen nicht auch Techniker ausnahmsweise mal geschäftlichen Erfolg haben? Ich werde es durchlesen. Kommen Sie in zwei Stunden wieder.«
»War es sehr schlimm?«, fragte John jetzt.
»Schlimm? Nicht schlimm.« Andropov zog eine Schublade auf und holte ein Sandwich hervor. Draußen war es schon dunkel – den ganzen Tag hatten John und Henry hier
und bei den Juristen verbracht. »Ein paar sprachliche Schwächen, eine rechtlich problematische Einschränkung. Aber ansonsten wirklich in Ordnung.« Andropov kaute ungeniert. »Ach ja, das war übrigens kein Amerikaner, der das geschrieben hat.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Stellenweise ist die Syntax etwas verdreht. Die Grammatik ist beinahe fehlerlos, aber die Wortstellung oft ziemlich merkwürdig.« Der Professor zuckte mit den Schultern. »Aber das macht nichts.«
»Die verlangen fünfundfünzig Prozent«, sagte John. »Ist das zu viel?«
Andropov lachte, eine Premiere für John. »Für vier Millionen hätten sie neunzig Prozent verlangen sollen! Nein, nein, das ist ein gutes Geschäft.«
»Also sollten wir das Angebot annehmen?«, fragte Henry ungeduldig.
»Das kann ich nicht für Sie beantworten. Aber betrachten Sie die Sache mal so: Diese eine Firma haben Sie in nur drei Monaten hochgezogen. Wenn daraus am Ende nichts wird, gründen Sie eben einfach die nächste.«
Am Silvesterabend saßen John, Grace und Henry um den Tisch in Johns Apartment. Vor ihnen lag der überarbeitete Vertrag. Ermanaric Visgraths Rechtsabteilung hatte beinahe alle Änderungen akzeptiert, die Andropov verlangt hatte.
Auf dem dünnen Papierstapel ruhte ein unscheinbarer Kugelschreiber.
»Also«, sagte John.
»Also«, wiederholte Grace. Sie
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