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Die Sonnwendherrin

Titel: Die Sonnwendherrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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kaltblütig Menschen umbringt! Und noch dümmer wäre es, sich in jemanden zu verlieben, den man überhaupt noch nicht richtig kennen gelernt hat.«
    Der Wolf nickte. »Meine Worte«, meinte er. »Genau meine Meinung.«
    |86| Iwan erhob sich und schritt den Pfad in Richtung der dunkel aufragenden Schlossmauer entlang. Der Wolf trottete neben ihm her. Manchmal wirkte er wie ein Hund – ein sehr, sehr großer, dessen Kopf einem erwachsenen Mann beinahe bis zur Schulter ging, aber dennoch ein Hund.
    »Erinnere dich bitte an alles, was wir erfahren haben«, mahnte der Wolf. »Bemühe dich, keine Fallen auszulösen, klar? Und sobald du drinnen bist, holst du dir sofort das Kästchen! Lass dich nicht von irgendetwas anderem ablenken, hörst du?«
    »Mmm«, machte Iwan.
    »He, Junge!«, rief der Wolf. »Hörst du mir überhaupt zu?«
    »Ich dachte, wenn ich nur mit ihr reden könnte
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«
    Der Wolf seufzte. »Nicht schon wieder! Das hast du doch schon, erinnerst du dich nicht? Auf dem Schlossplatz? Solltest du es vergessen haben, sieh dir deinen Arm an! Ich bin sicher, dass der Peitschenhieb noch nicht so schnell verheilt ist!«
    »Aber dort hatte ich kaum Zeit, überhaupt etwas zu ihr zu sagen! Falls ich alles mit ihr besprechen kann...«
    »Ah, ja, richtig.« Der Wolf wich dem tiefhängenden Ast einer Eberesche aus. »Sie wird einen Blick auf dich werfen, all ihre Pflichten vergessen und mit dir ins Zwölfte Königreich durchbrennen. Ganz vernünftig von ihr, wenn man ihre Lage bedenkt.«
    »Vielleicht hört sie mir ja zu!«, sagte Iwan, aber es klang nicht sehr überzeugt. »Was ihr Vater sie tun lässt, ist falsch! Das muss sie doch auch einsehen!«
    »Ich bin sicher, sie sieht es ein«, stimmte der Wolf zu. »Und sie wartet einfach nur auf den richtigen Mann, um ihr aus dieser Situation herauszuhelfen.«
    Wieder entstand eine verlegene Pause.
    »Ich riskiere nicht viel, wenn ich es versuche«, sagte Iwan schließlich.
    |87| »Keinerlei Risiko. Sie ist natürlich eine Magierin, aber sie ist nicht unbedingt dafür bekannt, Leute einen Kopf kürzer zu machen. Das überlässt sie ihrem Vater. Der möglicherweise genau das tun wird, falls er zufällig in ihre Gemächer kommt, wenn ihr euch gerade unterhaltet
..
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«
    »Mitten in der Nacht?«
    »Marja und ihr Vater haben eine sehr enge Beziehung«, sagte der Wolf betont.
    »Nun«, Iwan zögerte, »wenn es zum Schlimmsten kommt, kann ich ihn ja immer noch um ihre Hand bitten.«
    Der Wolf starrte ihn verblüfft an. »Ach, darum geht es also, Junge? Warum hast du mir das nicht vorher gesagt?«
    »Das ist es nicht!« Iwan errötete so stark, dass sich sein Gesicht im verblassenden Mondschein dunkel verfärbte. »Es ist nur so, wenn ich das mache, dann dürfen mir den Gesetzen nach weder sie noch Kaschtschej etwas antun.«
    »Hat Gleb dir das gesagt?«, wollte der Wolf wissen.
    »Ja, als du gerade draußen warst. Er behauptete, diese Regel gelte genauso sicher wie der Ehrenkodex der Unsterblichen. Er sagte, Kaschtschej werde mir nichts antun, wenn ich mich darauf berufe, besonders, weil er sich so sehr bemüht, als einer der echten Unsterblichen zu gelten.«
    »Dir ist wohl dein gutes Aussehen zu Kopf gestiegen, Freundchen«, sagte der Wolf. »Du vergisst, dass du kein Zarensohn mehr bist, ihr also nicht ebenbürtig. Nicht in diesem Königreich.«
    »Ich weiß«, sagte Iwan langsam. »Aber ich glaube nicht, dass es eine Rolle spielt. Jeder kann um sie werben, falls er ihre Aufgabe erfüllt.«
    Die Stimme des Wolfs wurde sanft und einschmeichelnd. »Hat Gleb zufällig auch erwähnt, dass du – falls du ihre Aufgabe nicht erfüllst – nach dem Gesetz dieses Königreichs sterben musst?«
    Iwans Miene verlor etwas von ihrer Verträumtheit. »Ja, |88| das sagte er«, versicherte der Junge. »Aber ich sehe das ja auch nur als letzten Ausweg, falls die Lage gefährlich wird.«
    »Falls du es nicht bemerkt haben solltest«, grollte der Wolf, »trotz des Schwarms von Verehrern, die in dieses Königreich gelockt werden wie Fliegen zum Honig, ist sie immer noch unverheiratet! Und weißt du auch, wieso? Vergiss eines nicht, mein Junge: Marja und ihr Vater Kaschtschej sind nicht so leicht zu besiegen wie der alte Leschy. Sie spielen nicht!«
    Iwan sah ihn unsicher an.
    »Tu einfach, was ich dir sage«, fuhr der Wolf fort. »Dein einziger wirklicher Vorteil ist die Überraschung! Geh rein, schnapp dir die Nadel und renn um dein Leben! Denk nicht einmal daran, ein Auge auf sie zu

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