Kein Blick zurueck
kommst du darauf?«
»Durch ein paar Zeitschriftenartikel, die ich gelesen habe. Es ist erstaunlich, nicht wahr? Sie ist ziemlich in Mode. Alle Arten von Leuten schwirren inzwischen um sie herum, weil sie es bei diesem Mutterschaft-versus-Arbeit-Thema mit Charlotte Perkins Gilman aufnimmt. Gilman hat immer gesagt, Frauen sollten arbeiten gehen. Sie war sehr lange eine der wichtigsten Sprecherinnen der Suffragettenbewegung. Doch plötzlich ist Ellen Key der neue Liebling der Literati.«
»Und wir haben das bewirkt?«
»Wir müssen es gewesen sein. Wo sonst sollten sie etwas von ihr gelesen haben?«
»Warum sind dann die Buchverkäufe so miserabel? Ich habe Ralph Seymour gutes Geld dafür bezahlt, dass er die Bücher veröffentlicht, und habe nicht einen Cent davon wiedergesehen.«
»Nun, vielleicht haben nicht gerade die Massen Morality of Woman oder Liebe und Ethik gekauft. Aber die Zeitschriftenredakteure haben sie gekauft. Zumindest finden Ellens Ideen so Verbreitung. Das war unsere Absicht, und im Moment geschieht das auch.«
»Ich finde, das schreit danach, gefeiert zu werden.«
»Ich würde gerne feiern, wenn mich dieser Essay nicht so abstieße.«
»Du musst nicht mit allem einverstanden sein, was sie sagt.«
»Nein. Aber ich finde es verwirrend. Ellen ist in mein Leben getreten, als ich in einem tiefen Loch steckte, und sie hat mir ein Seil zugeworfen. Seitdem will ich nur noch eins, dass ihre Bücher in die Hände der Amerikanerinnen gelangen. Doch dieser Essay… das ist Ellens romantische Eugenik in voller Blüte. Sie zeichnet das Bild der Frau in hundert Jahren als voll entwickelte Persönlichkeit, die sich damitzufriedengibt, Glucke einer überlegenen Rasse zu sein. Es ist mir beinahe peinlich, diesen Essay irgendjemandem zu schicken.«
Frank seufzte. »Aber Ellen Key ist nicht du. Und du bist nicht Ellen Key. Du bist ihre Übersetzerin. Du kannst dich entscheiden, ob du die Übersetzung annimmst oder ablehnst, aber du kannst sie nicht zensieren. Ich würde sagen, lass die Sache ihren Lauf nehmen.«
Mamah schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht. Es ist eine Ironie des Schicksals, dass Ellen nie verheiratet war und keine Kinder hat, sich aber dennoch berufen fühlt, über Mutterschaft zu sprechen. Ich finde das ziemlich arrogant.«
»Ein schlechter Zug, Arroganz.« Mit einem schiefen Grinsen bearbeitete er einen weiteren Stift.
»Schau dir das gute Leben an, das Ellen als berühmte Intellektuelle führt. Sie diniert mit Staatsoberhäuptern. Korrespondiert mit den meisten Berühmtheiten der Welt. Sie bedauert ihr Pech in der Liebe, weil es sie davon abhielt, Babys zu bekommen. Aber mein Gott. Sie hat sich eine recht ruhmreiche Karriere aufgebaut – eine Karriere, die sie nicht hätte haben können, wäre sie die Art von Vollzeit-Mutter geworden, die sie hier verherrlicht.«
»Das klingt beinahe, als wärst du wütend auf sie.«
Als Mamah in dieser Nacht im Bett lag, fragte sie sich, wie sie es geschafft hatte, dass Hedwigs Worte damals bei ihr nicht wirklich Gehör gefunden hatten. Sie hatte sich angehört, was sie zu sagen hatte, und das Gesagte dann gedanklich irgendwo abgelegt. Sie ärgerte sich, dass das hatte passieren können.
Franks Bemerkung, sie sei lediglich Ellens Übersetzerin, hatte Mamah ebenfalls aufgewühlt. War ihre eigene Identität inzwischen so ganz und gar mit der Ellens verstrickt? Sieverkörperte eine mächtige Kraft. Ellen Keys Verstand war so geschliffen wie eine Stahlaxt. Es würde schwierig werden, sich mit ihr über den Schaden auseinanderzusetzen, den dieser Essay in den Vereinigten Staaten anzurichten vermochte, und das ausgerechnet in einem Moment, in dem verschiedene Gruppierungen innerhalb der Frauenbewegung ihre Differenzen beilegten, um sich vereint für das Wahlrecht starkzumachen. Bevor sie Frank kennengelernt hatte, war Mamah jahrelang eine leidenschaftliche Verfechterin des Frauenwahlrechts gewesen. Sie fragte sich, was wohl aus dieser jungen Frau geworden war.
Zurück in ihrem Arbeitszimmer, klappte sie die schwedische Ausgabe von Missbrauchte Frauenkraft zu. Vielleicht würde sie sich mit der Übersetzung Zeit lassen. Vielleicht würde sie Ellen sogar sagen, dass kein Verleger das Buch haben wollte. Sie suchte in den Bücherregalen nach einer passenden Stelle, wo sie es hinstellen könnte, was damit endete, dass sie das Büchlein hinlegte – was hieß, dass sie es nicht ganz beiseitelegte.
Draußen hatte die Sonne die graue Wolkendecke
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