Lehmann, Christine
mal sehen wollte.«
»Und?«
»Ich habe sie vor mir. Sie ist vom Jahresanfang. D a mals ist sie mir so komisch vorgekommen, dass ich sie nicht an Manteufel weitergeleitet habe. Ich dachte, das ist nicht gut, wenn er weiß, dass ich das gesehen habe. Da werden Zahlen multipliziert, 150 mal 351 mal 12. Es ist eine verdammt hohe Summe, die da rauskommt. Falls es Geld ist. Ich weiß noch, damals habe ich erst gedacht, Baphomet reicht irgendwas nach für den Ja h resbericht. Aber wir haben nur 121 Kinder im Sonne n nest. Bei den 351 kann es sich also nicht um Kinder handeln.«
Mein Herz wummerte. »Könnten Sie mir diese E-Mail schicken?«
»Wofür wollen Sie das denn?«
»Nach meiner Einschätzung handelt es sich um einen Beleg dafür, dass Ihr Amtsleiter darüber informiert ist, dass Baphomet von der Stiftung Gelder für fiktive Ki n der kassiert, und dass er, Manteufel, sich dieses Wissen b e zahlen lässt.«
»Das wäre ja …« Teixel keuchte.
»Korruption. Passen Sie auf. Ich nenne Ihnen jetzt e i ne Hotmail-Adresse, in der mein Name nicht erscheint. Da schicken Sie die Mail hin. Danach löschen Sie den Di a log von Ihrem Konto. Dann kann Ihnen eigentlich ni e mand mehr draufkommen, dass Sie es waren, der mich informiert hat. Von meiner Seite aus gilt Informante n schutz. Das heißt, ich werde Ihren Namen auch unter Folter nicht nennen.«
Er hatte Schiss. Da hatte er die einmalige Chance, se i nen Amtsleiter loszuwerden, eine Chance, die nicht viele gequälte Arbeitnehmer hatten, und es krampfte sich sein Gedärm. Manchen Menschen fiel es gar nicht leicht, e i nem anderen – und sei er auch ein noch so großer Seckel – den Todesstoß zu versetzen.
Noch während ich mit Teixel redete, klopfte ein weit e rer Anrufer auf meinem Handy an. Es war Ruth Laukin vom Stuttgarter Anzeiger. Ich steckte mir die dritte Zig a rette an, auch wenn mir die Füße allmählich erfroren, und drückte den Rückruf.
»Du«, sagte sie, »da hat eben der Leiter des Jugen d amts bei uns angerufen …«
»Herr Manteufel.«
»Kennst du den?«
»Ja.«
»Dem geht ja der Arsch mächtig auf Grundeis. Er hat rechtliche Schritte angedroht, falls wir auch nur eine Ze i le veröffentlichen, in der dem Jugendamt irgendwelcher Kinderklau unterstellt wird. Bei der Familie Leidenfrost habe man korrekt gehandelt.«
»Ja, ja! Aber die Leidenfrosts sind nicht das Thema.«
Laukin lachte. »Heute wohl noch keine Nachrichten gehört? Die Leidenfrosts haben in einer Nacht- und N e belaktion mit tatkräftiger Unterstützung einiger Nachbarn vom Raitelsberg ihre acht Kinder aus den Pflegefamilien geholt und sind mit ihnen auf und davon. Wahrscheinlich ins Ausland.«
Ich lachte.
»Und nun ist die Frage, woher sie die Adressen der Pflegefamilien hatten. Und Manteufel hat Schiss, dass herauskommt, dass es eine undichte Stelle im Jugendamt gibt.«
»Nein, Ruth«, sagte ich. »Er hat Angst, dass rau s kommt, dass derjenige, der die Adressen der Pflegefam i lien hat, darauf kommt, dass im Sonnennest fiktive Ki n der über die Stiftung Xenodochium abgerechnet werden. Und ich bin die, die die Liste hat.«
»Was? Noch mal! Was hast du?«
Ich erklärte es ihr.
»Okay«, sagte sie dann. »Du kriegst eine halbe Seite am Montag, aber mit Fotos von den unbewohnten ange b lichen Pflegefamilienadressen. Und ich möchte den Art i kel morgen Mittag haben, damit unsere Juristen noch drübergehen können. Schaffst du das?«
»Klar!«
Ja! Ich ballte die Faust. Endlich! Ich hatte es g e schafft! Drin in der Zeitung mit einer großen selbstr e cherchierten Geschichte, und was für einer! Ich schwebte in den Salon meiner Mutter zurück. Nur Richard würde abkotzen, fiel mir ein. Wenn der Stuttgarter Anzeiger schon am Montag Skandal schrie, konnte er sich seinen Amtsgalopp mit Durchsuchungsbeschlüssen für Ende der Woche sparen. Das musste er für Montag hinkriegen. Und das bedeutete, wir mussten sofort nach Stuttgart aufbrechen.
Im Salon herrschte Kuchenerschöpfung. Richard saß im Sofa mit Alena auf dem Arm, die im Schlaf seinen Zeigefinger umklammert hielt, und sah aus, als sei er fest entschlossen, sich die nächsten Stunden nicht zu bew e gen, um die Kleine nicht zu wecken.
»Richard«, sagte ich. »Wir müssen sofort nach Stut t gart. Es hat sich was ergeben.«
Seine milchkaffeebraunen Augen schwappten langsam in meine Richtung und fragten: »Was ist denn nun schon wieder?«
»Baphomet ist gewarnt«, referierte ich. »Teixel war dort. Er hat einen
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