Silbernes Band (German Edition)
darf ich dich hin und wieder durch die Küche tragen.“ – „Okay, wenn wir diese Kochinsel nehmen.“ Ihr schlanker Zeigefinger tippte auf die aufgeschlagene Prospektseite. „Du solltest eine richtige Insel bekommen, das wäre angemessen.“ – „Was soll ich mit einer Insel? Ich kann mich ja nicht an den Strand legen, denk an meine Sonnenallergie.“ – „Wer weiss, vielleicht steigt wieder mal eine Insel vor Islands Küste aus dem Atlantik. Die könnte ich dir schenken.“ – „Cool, ein Lavabrocken mit Fussbodenheizung. Dann doch lieber die Kochinsel und ein beheizbarer Handtuchhalter fürs Bad.“ – „Bad ist ein gutes Stichwort. Wir sollten rübergehen und die Fliesen auswählen.“
Obwohl sie Schuhe an den Füssen trug, und noch gar kein Schiefer verlegt war, hob er sie hoch und brachte sie durch die Eingangshalle in ihr zukünftiges Schlafzimmer und weiter ins angrenzende Bad. „Ich sollte mir das nochmals gründlich überlegen. Du benimmst dich immer unsterblicher. Ist das der schlechte Einfluss deines Vaters? Wo ist er überhaupt? Müsste er nicht längst einen zynischen Kommentar zu meiner frechen Bemerkung abgeben?“ – „Du hast Glück, er spricht gerade mit dem Bauleiter. Aber er lässt ausrichten, dass du dich nicht ständig dagegen auflehnen sollst, angemessen behandelt zu werden.“ – „Es ist unhöflich, sich in einer unhörbaren Geheimsprache zu unterhalten“, schickte Rúna zur Zimmerdecke empor. „Er bittet um Verzeihung. Und ich auch. Du darfst selbstverständlich auf eigenen Füssen stehen.“ Sie wurde vorsichtig im Badezimmer abgesetzt. Die rohen Wände und der triste Betonboden liessen es wie einen Bunker mit Fenster wirken. Heiðar hielt eine schlichte weisse Fliese an die Wand. „Die gefällt mir am besten. Ich möchte nichts Verrücktes, das uns nach zwei Jahren zum Hals raushängt.“ – „Seh ich auch so, aber wir brauchen eine umlaufende Zierleiste, das lockert etwas auf.“ Rúna legte eine schmale blaue Fliese darüber. „Das Regal aus gebleichter Eiche für die Handtücher würde sehr gut dazu passen, und ein Korbsessel in der Ecke.“ Er nickte. „In diese Ecke kommt die Dusche, hier rüber die freistehende Badewanne und auf die andere Seite der Waschtisch und das Klo. Den Handtuchhalter platzieren wir so, dass man von Bad und Dusche bequem rankommt.“ – „Das wird schön. Sollen wir alle Bäder im selben Stil einrichten?“ – „Dann wäre alles aus einem Guss. Fürs Gästebad nehmen wir dieselbe Zierfliese in Rot.“
Sie erwiderte nichts darauf, legte sorgfältig die blaue Fliese zu Boden und verliess das Badezimmer. Er folgte ihr zu einem der Fenster, das auf die baumbestandene Wiese hinausging, die das Haus zu drei Seiten umschloss. Sie öffnete es und liess die kalte Abendluft hereinströmen. „Es ist seltsam, diese vielen Entscheidungen zu treffen. Wenn ich daran denke, dass ich schon bald mit dir und Fionn in diesem Haus wohnen werde...“ – „Hast du Zweifel?“ – „Nein, das ist es nicht. Es fühlt sich einfach so unwirklich an. Seit ich dich kenne, läuft mein Leben im Vampirtempo ab. Aber keine Sorge, ich gewöhne mich allmählich daran“,fügte sie rasch an. Ihr Blick suchte Halt in einer hochgewachsenen Birke, die sich sanft im Wind wiegte. „Woran denkst du?“ Er stand ganz dicht hinter ihr und küsste jene Stelle am Hinterkopf, die so wunderbar nach fedrigem Wollgras roch. „Ich wage allmählich, den Fuss von der Verstandsbremse zu nehmen. Mein Herz ist dabei aufzuholen.“ – „Das ist schön. Du wirst feststellen, dass es keinen Grund gibt, Angst zu haben vor deinen oder meinen Gefühlen.“ Sie liess sich vertrauensvoll nach hinten fallen und wurde aufgefangen. „Unsere Liebe und dieses Haus helfen mir dabei, mich auf gewisse Verbindlichkeiten einzulassen. Ich denke ernsthaft daran, mich für ein Studium einzuschreiben. Literaturgeschichte“, ergänzte sie mit vielsagendem Blick. „Das ist wunderbar!“ Seine Arme schlossen sich noch etwas enger um ihren weichen Körper. „Ich werde dich liebend gerne dabei unterstützen, und wenn du erlaubst, übernehme ich die Nebenkosten für unsere Wohnung.“ – „Es war mir klar, dass du so etwas vorschlägst. Mit Verbindlichkeiten meinte ich aber nicht, finanzielle Abhängigkeit. Ich hab schon alles durchgerechnet: Wenn ich weiterhin in der Buchhandlung jobben kann, komm ich prima über die Runden, ohne dass du mich finanziell unterstützt. Lúkas, der bei uns im Café
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