Tag der geschlossenen Tür
handle mit Dingen, die unsauberes Denken fördern, und das macht mich zum Verbrecher. Denn nur das saubere Denken folgt dem Gesetz und fällt über die Welt her. Das ist die Wahrheit.«
»Kann sein, Bob, kann sein.«
Er hat die »0002 toodesnaH«-Fahne auf seinen Bauch gelegt und die Hände darüber gefaltet.
»Gesetze sind immer nur der jämmerliche Versuch, eine unüberschaubar große Menschenmenge in eine Form zu zwängen und ihnen eine Marschrichtung nach dem Willen weniger aufzuzwingen.«
»Jaja, ich weiß das, Bob.«
Dass er bei mir wohnen wird, ist eine schreckliche Idee. Absolut keinen Rückzugsraum. Aber auf der anderen Seite: Wann krieg ich schon mal Besuch? Und hab ich mir nicht gerade einen Freund gewünscht?
Hier ist er.
»Bob, ich finde die Idee sehr anstrengend, dass du bei mir wohnen möchtest, aber wir können es ja mal probieren. Bis ich es nicht mehr aushalte. Okay?«
»Deal.«
»Was?«
»Auf dich kann man zählen … bin sowieso nicht mehr lange da … ich will nicht …« Mitten im Satz ist er eingepennt, die Hand mit der brennenden Zigarette sinkt langsam auf seine Brust. Ich entferne sie vorsichtig. Dann breite ich seine Fahne über ihm aus, um ihn zuzudecken wie einen toten Soldaten. Als ich sie ganz über ihn geworfen habe, fällt mir erneut der Schriftzug auf. Etwas Entscheidendes hat sich verändert, weil ich den Aufdruck zum ersten Mal von der anderen Seite sehe. Dort steht »Hanseboot 2000«. Eine Werbung der großen Boot- und Jachtmesse in den Hamburger Messehallen. Mir entfährt ein gutturaler Lacher. Alles ist Betrachtungssache. Alles ist eine Frage des Blickwinkels. Es kommt immer darauf an, von welcher Seite du die Dinge siehst.
Ich habe mir einen Freund gewünscht. Ich habe ein Problem bekommen.
Das Ende einer nicht begonnenen Liebe
B ob ist seit Tagen unterwegs. Zu meiner Erleichterung. Hat sich ausgepennt und ist danach wortlos verschwunden. Unbemerkt, ohne eine Nachricht zu hinterlassen, ohne einen Schlüssel mitzunehmen. Irgendwann wird er wahrscheinlich wieder aus dem Nichts auftauchen. Solange er da war, konnte ich mich nicht mehr konzentrieren. Als würde seine bloße Anwesenheit in der Wohnung meine Energie absaugen.
Ich sitze seit Stunden vor dem Rechner und schaue auf den Bildschirm. Warte darauf, dass sich die Worte in mir in Bewegung setzen. Nach zwei durchwarteten Tagen ertönt endlich ein Signal, schallt durch die Stille des Raumes, weckt und erlöst mich. Ich habe eine Nachricht bekommen. Susanne hat mir geschrieben, ein Frühlingswind durchfährt mich.
Werter Sonntag,
wie wäre es denn, wenn wir uns mal treffen? Nur so, zum Reden. Oder um was zu trinken. Oder so.
Es grüßt Dich – Susanne
Ich bin erregt – ich werde sie sehen, bald, sie will mich treffen, nicht aus beruflichen Gründen, sie interessiert sich für mich. Als Mann. Vielleicht auch nur als Mensch. Das wäre nicht so schön. Ein rein menschliches Interesse. Das würde mich dann doch verletzen, ein rein menschliches Interesse. Wo will ich sie treffen? Unter was für Umständen? Was will ich von ihr? Begehre ich sie? Ich weiß das alles nicht. Ich muss es herausfinden.
Liebe Susanne,
wo möchtest Du mich denn gerne treffen? Möchtest Du einen neutralen Ort? Wie wäre es, wenn wir uns beim Arzt treffen? Im Wartezimmer. Zum Beispiel in der Praxis Schinkel und Bock, Große Bergstraße, das sind Allgemeinmediziner, da ist für jeden was dabei. Oder lieber bei einem Zahnarzt? Hast Du ein Leiden, das den Gang zum Arzt rechtfertigen würde? Oder sollen wir uns beide was ausdenken? Und was zum Trinken könnten wir ja auch mitnehmen. Ich würde Bier präferieren.
Ich freu mich auf unser Treffen, Dein Sonntag
Ich schicke die Nachricht ab. Gebannt bleibe ich vor dem Schirm sitzen und warte. Warte darauf, dass sie direkt antwortet. Sie sitzt doch bestimmt an ihrem Arbeitsplatz und antwortet direkt. Sie antwortet nicht direkt. Vielleicht hat sie Redaktionssitzung. Ich werde mich gedulden. Ich werde geduldig warten. Susanne – bitte gib meinen Tagen wieder eine Richtung. Ich richte mich vor der Matrix häuslich ein. Getränke und Speisen umstellen mich, damit ich in der Zeit des Ausharrens nicht verhungern muss. Ich habe Totelinchen neben den Bildschirm gestellt und den Deckel ihrer Schachtel geöffnet. Sie gibt keinen Ton von sich, fast scheint es, als wäre sie tot. Vielleicht ist sie beleidigt? Oder eifersüchtig? Die Stunden vergehen, ab und zu nicke ich ein. Am
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