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Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
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zuerst, deine Hornhaut wird unempfindlich sein“, schlug Anne vor.
    Frau Jessen folgte dem Rat ihrer Tochter. „Ah, du hast recht. So geht es viel besser. Das Prickeln in den Füßen ist einfach himmlisch“, stöhnte sie wonnevoll, schloss die Augen und machte es sich auf dem Stuhl bequem, soweit das der Umfang ihres Leibes möglich machte.
    Anne fand, es sei an der Zeit für ein Mutter-Tochter-Gespräch. „Mama? Hast du Marie heute auf dem Feld gesehen?“, fragte sie zielstrebig.
    „Hm“, erhielt sie zur Antwort.
    Das fängt ja gut an, dachte Anne, hoffentlich geht das nicht so weiter. „Ist das nicht ungewöhnlich? Ich habe Marie noch nie auf dem Acker gesehen“, beharrte sie.
    „Ich schon“, gab die Mutter einsilbig zurück.
    Anne verdrehte die Augen, aber dabei war sie sich sicher, ihrer Mutter bleibe die Respektlosigkeit verborgen.
    „War Marie nicht immer so, ich meine, ist sie nicht ...“ Anne zögerte, dann fügte sie hinzu: „... so geboren?“
    Über die Hartnäckigkeit ihrer Tochter erstaunt klappte Frau Jessen nun doch ein Auge auf und betrachtete nachdenklich das Mädchen zu ihren Füßen. „Da hab ich gedacht, du willst mir uneigennützig eine Freude machen, dabei fragst du mir nur Löcher in den Bauch“, stellte sie nüchtern fest.
    Anne wich dem mütterlichen Blick aus und beschäftigte sich mit den vernachlässigten Füßen. Sie begann die aufgeweichte Haut mit der Bürste zu schruppen.
    Durch die Zuwendung versöhnt ließ Frau Jessen sich nun doch zur Beantwortung der Fragen herab. „Nein, mein Kind“, meinte sie sinnend, „Marie war nicht immer so. Sie war ein aufgewecktes Mädchen, so eines wie du. Die arme Lore! Hat nur die eine Tochter und dann passiert so ein Unglück. Ihr Mann hat es noch weniger verwunden, ist in den Krieg gezogen. Wollte das Mädel rächen, so sprachen damals dein Vater und das halbe Dorf. Pah! Was sich die Männer immer so denken. Laufen einfach weg vor dem Elend und der Verantwortung! Was hat es denn Marie genutzt, dass ihr Vater tot ist? Nichts! Der hat sich nur vor der Schande verstecken wollen.“
    Anne horchte auf. Sie glaubte, ihre Mutter noch niemals zuvor so leidenschaftlich erlebt zu haben.
    Als Frau Jessen in das erstaunte Gesicht ihrer Tochter blickte, fiel sie sofort in sich zusammen und schaute ängstlich nach der Hintertür, ob sich dort ein polternder Ehemann zeige. „Wir müssen leiser sprechen, sonst scheucht er uns gleich wieder an die Arbeit“, flüsterte sie ihrer Tochter zu.
    Anne starrte die Mutter an, deren unmittelbare Wandlung kaum begreifend. „Was soll der schon dagegen haben, wenn ich mich ein bisschen um dich kümmere! Sind die Männer eigentlich alle so wie Papa? Wie konntest du nur so einen Stinkstiefel zum Mann nehmen.“
    „Anne! Red nicht so von deinem Vater, hörst du? Ich verbiete es dir!“
    Mist, dachte Anne, das war’s.
    Sie glaubte nicht, ihre Mutter ein weiteres Mal aus der Reserve zu locken, doch sie hatte sich geirrt.
    „Dein Vater ist nicht immer so gewesen, wie du ihn kennst. Dann hätte ich ihn sicher nicht ohne Not geheiratet.“ Frau Jessens Augen nahmen einen träumerischen Ausdruck an.
    Aha, dann ist er vielleicht auch mal ein fescher Bursche gewesen, der Mutter mit Späßen geneckt und ihr schmachtende Blicke zugeworfen hat, mutmaßte Anne. Sie war gewiss nicht phantasielos, aber eine solche Vorstellung wollte ihr einfach nicht gelingen.
    Frau Jessen hatte es sich erneut bequem gemacht. Anne holte noch einmal heißes Wasser aus der Küche und setzte es dann langsam und vorsichtig dem Fußbad zu. Frau Jessen grunzte vor Wohlbehagen.
    „Warum interessierst du dich eigentlich für Marie“, fragte sie unvermittelt. „Ich kann mich nicht erinnern, dass du jemals etwas mit ihr zu tun haben wolltest. Im Gegenteil, ich habe dich und deine Freundinnen dabei erwischt, wie ihr dem armen Mädchen hässliche Reime hinterhergeschrien habt.“
    Ach du lieber Himmel, jetzt fängt sie wieder mit meinen Schlechtigkeiten an, dachte Anne. Das war nämlich eine beliebte mütterliche Taktik, um vom eigentlichen Thema abzulenken.
    „Mama, das ist mindesten vier Jahre her, damals war ich noch klein und dumm“, wehrte Anne ab.
    „Soso! Und heute bist du klug und weise?“, hörte sie die Mutter höhnen, aber das lustige Zehenspiel im Zuber verriet ihr, es war nicht böse gemeint. Beide lächelten. Anne bedauerte ehrlich, nicht öfter Gelegenheit zu haben, sich mit der Mutter von Frau zu Frau zu unterhalten.
    „Nein,

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